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Fachwerkhütte mit Hanfkalk ertüchtigt und gedämmt

FACHWERK MIT HANFKALK ERTÜCHTIGEN UND DÄMMEN

Ein ganz besonderes Projekt in meiner Heimat habe ich 2021 betreut: in einem Weinberg bei Tübingen habe ich mit meinem Team und mehreren Gruppen von Seminarteilnehmern ein sogenanntes „Wengertshüttle“ ertüchtigt.

Fachwerkhütte mit Handkalk ertüchtigt
Anbringen der Schalung , um Hanfkalk in das bestehende Fachwerk zu füllen

Der Besitzer hat das Grundstück 2021 neu erworben und wollte die dort stehende marode Hütte erhalten und ertüchtigen. Dafür sollten nur ökologische Materialien eingesetzt werden, weshalb er auf mich und mein Team aufmerksam wurde.

 

Die erste Besichtigung des Grundstücks hatte mehrere Besonderheiten offenbart:

  • Auf dem Grundstück gibt es keinen Stromanschluss
  • Auch ein Wasseranschluss, beziehungsweise eine 
    Wasserquelle ist nicht vorhanden 
  • Die Hütte befindet an einem unzugänglichen Standort, sodass
    Baugeräte oder konventionelle Materialen kaum eingesetzt
    werden konnten

Diese projektspezifischen Besonderheiten machten den Einsatz von Hanfkalk noch sinnvoller, als es die Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit dieses Baustoffs ohnehin macht. Anstatt etwa vorproduzierte Dämmziegel mühsam den Hang hinaufzutragen, konnten wir Hanf, Kalk und Wasser einzeln transportieren und den benötigten Baustoff direkt vor Ort anmischen.

 

Um das Gebäude zu ertüchtigen, haben wir daher:

  • Hanfkalk in-situ (vor Ort) eingebracht
  • Dämmung mit Hanfwolle vorgenommen

Das Projekt hat uns mehrere wichtige Erkenntnisse geliefert zur Rezeptur und dem Anmischen des Hanfkalk sowie zum Einsatz von Hanfwolle als Dämmung.

 

Erkenntnisse aus dem Projekt

Das Projekt hat uns mehrere wichtige Erkenntnisse geliefert zur Rezeptur und dem Anmischen des Hanfkalk sowie zum Einsatz von Hanfwolle als Dämmung.

 1. Einfluss der Temperatur auf den Hanfkalk

Beim ersten Einsatz im Sommer herrschten sehr hohe Temperaturen (teils über 30°C) und eine direkte Sonneneinstrahlung. Bei der Verarbeitung zeigte sich, dass es unter diesen Bedingungen sinnvoll ist, die Mischung des Hanfkalk etwas feuchter vorzubereiten als üblich. So war gewährleistet, dass der Kalk lang genug ausreichend Flüssigkeit zum Reagieren hat. Bei zu trockenen Mischungen war die Flüssigkeit verdunstet, bevor die nötige Reaktion zum Aushärten des Kalks abgeschlossen war. Auch hier hat der Hanfkalk wieder gepunktet: wir haben sehr schnell gemerkt, dass das Material nicht optimal aushärtet. Darauf konnten wir sofort reagieren, indem wir das betroffene Material durch simples Herauskratzen entfernten und anteilig in neue, nassere Mischungen einarbeiteten.

 2. Gebäudedämmung mit Hanfwolle – Ungezieferbefall

Hanfwolle eignet sich hervorragend zum Dämmen von Außenwänden, indem es unkompliziert in Schalungen oder etwa zwischen die Sparren eines Fachwerks oder Holzständerbaus gestopft wird. Bauherren hatten hierzu immer wieder Fragen zu einem möglichem Ungezieferbefall bei diesem natürlichen Baustoff, vor allem hinsichtlich eines möglichen Befalls durch Mäuse. In diesem Zusammenhang haben wir an der Weinberghütte sehr interessante Erfahrungen gemacht:

Das erste Wandstück dämmten wir im Sommer mit Hanfwolle und ließen bewusst eine kontrollierte Stelle offen. Im Herbst überprüften wir diese Stelle auf einen möglichen Ungeziefer- oder Mäusebefall. Die überraschende Erkenntnis: Mäuse hatten zwar wenige Zentimeter (ca. 5 cm) tiefe Löcher in die Wollte gegraben, danach jedoch getoppt! Obwohl die Wolle eine angenehm warme Umgebung bietet, ist das Material wohl zu widerstandsfähig, um von Mäusen durchgenagt zu werden. Zudem bietet es keine Futterquelle, wie etwa Stroh, da in der Hanfwolle keine Rückstände aus Hanfsamen vorkommen. Die Nager scheinen ihr „Bauvorhaben“ also abgebrochen zu haben, als sie dies feststellten. Wir konnten dadurch schlicht wenige Zentimeter der Hanfwolle entfernen und die Wand fertig dämmen. Wir können also mit Überzeugung sagen: „Da beißt die Maus keinen Faden ab!“

Fazit

Die herausfordernde Lage dieses Objekts hat die Vorteile von Hanfkalk wieder deutlich gezeigt. Das nötige Baumaterial konnte vor Ort per Hand angemischt werden, ohne ein kompliziertes Anliefern fertiger Baumaterialen oder Baugeräts. Zukünftige Bauherren profitieren optimal von den Erkenntnissen zum Einfluss von Temperatur und Sonneneinstrahlung auf das Material sowie dem Test zum Nagetierbefall.

 

Ich bin dankbar, dass ich dieses besondere Projekt betreuen durfte und bedanke mich bei allen, die auch im Zuge von meinen Seminaren tatkräftig bei diesem Projekt mitgewirkt haben.

Impressionen vom Projekt